Die Toten Hosen: „Laune der Natur“.
Fünf Jahre nach dem mittlerweile legendären Album „Ballast der Republik“ veröffentlichen die Toten Hosen mit „Laune der Natur“ ein neues Studioalbum.
„Ballast der Republik“ war ein Riesenerfolg, es hagelte Edelmetallauszeichnungen und war die achte Nummer Eins der Band seit 1990. Die Single „Tage wie diese“ sprengte alle Rekorde, die „Der Krach der Republik“-Tournee gehörte zu den größten, die dieses Land je gesehen hat.
Die Band erinnert sich: „Niemand hatte mit dem Erfolg von ‚Ballast der Republik‘ gerechnet und auch dieanschließende Tournee hat alle unsere Erwartungen übertroffen. Die letzten Jahre haben uns viel Freude bereitet, aber es gab auch bittere Momente: Der Tod unseres langjährigen Freundes und Managers Jochen Hülder war ein Schock. Anderthalb Jahre später mussten wir auch von unserem ehemaligen Schlagzeuger Wölli Abschied nehmen, der seinen Kampf gegen den Krebs verlor. Beide Ereignisse haben uns wieder einmal klar gemacht, wieviel Glück wir als Band mit unserer Freundschaft haben, aber auch dass unsere Zeit nicht ewig währt. Es ist ein Privileg, dass die Leute nach 35 Jahren noch immer an den Hosen interessiert sind und daran, was ihre neuen Liedern zu bieten haben. Das sehen wir auch als Teil unserer Existenzberechtigung, dass sich die Menschen heutzutage immer nochüber unsere Musik streiten.“
Ihr langanhaltender Erfolg macht die Toten Hosen zu einer absolute Ausnahmeerscheinung: So sind nicht nur viele Fans der ersten Stunde ein Leben lang dabei geblieben, sondern es wachsen auch ständig neue Supporter nach, die Fanbasis verjüngt, erneuert und erweitert sich mit jeder Saison. Dieses Phänomen, dass die Band es schafft, wie kaum eine zweite, mit ihren Liedern Menschen der unterschiedlichsten Altersgruppen und Gesellschaftsschichten zu begeistern, ist der Kern der, wenn man so will, Tote Hosen-Formel.
Campino dazu: „Wir schreiben aus der Perspektive von hier und heute. Am Anfang unserer Zeit, als wir zwischen 20 und 30 Jahren alt waren, sahen wir es ganz klar als unsere Aufgabe, die Jungen von den Alten zu spalten. Es war inunserem Sinne, wenn die Eltern schimpften ‚Du gehst nicht auf ein Konzert der Toten Hosen‘. Streckenweise war es auch nicht ungefährlich. Es gab viel Polizei, Schlägereien – all das, was unserem Lebensgefühl von Rock'n'Roll entsprach. Das passte zu der Zeit. Aber mit den Jahren haben wir verstanden, dass jede Generation eigene Helden braucht. Wenn wir heute die Jungen mitnehmen wollen, dann geht das nur über den entgegengesetzten Ansatz: Verbinden, nicht Spalten. Dieser Generationenkonflikt, wie wir ihn noch erlebt haben, existiert ja gar nicht mehr. Heute gibt es Familien, die sich so gut verstehen, dass die Kinder die Eltern mit aufs Konzert nehmen oder umgekehrt. Das finde ich herrlich. Wir sind nicht mehr nur die Band für die Jugend, die sich mit ihremMusikgeschmack gegen die Eltern auflehnen möchte“.
Dafür haben die fünf Musiker mit ihrem seit 1982 entstandenen Gesamtwerk mittlerweile einen Songkosmos geschaffen, der für ihre Fans zu einem Soundtrack ihres Lebens geworden ist. Leben bedeutet Vielfalt und diesespiegelt sich in der Musik und den Texten der Toten Hosen wieder. „Laune der Natur“ ist ein Paradebeispiel dafür: Tod und Vergänglichkeit sind ein großes Thema auf dem Album, aber so alltäglich wie traurige Geschehnisse sind eben auch die freudvollen Momente, die genauso ihren Niederschlag in den neuen Liedern finden. Das Leben ist halt nicht nur schwarz oder weiß, und so muss bei aller notwendigen Nachdenklichkeit, bei ernsten oder politischen Themen auch immer Platz für einen Gag oder mal derben Humor sein. Gerne auch innerhalb eines Liedes. Freudund Leid liegen auf „Laune der Natur“ nah beieinander, es sind hier wie im richtigen Leben zwei Seiten der gleichen Medaille.
Über musikalische Grenzen setzen sich Die Toten Hosen schon seit einigen Albumveröffentlichungen konsequent hinweg. Klar, ihre Wurzeln haben sie in der Punkbewegung der 70/80er und das Fundament ist stets schnörkelloses Rock-Handwerk. Trotzdem haben sie sich in den letzten Jahren stilistisch weit geöffnet, sodass sie auf „Laune der
Natur“ befreit aufspielen können wie nie zuvor. „Wir müssen niemandem etwas beweisen, aber wir vergessen niemals, wo wir herkommen. Wir konnten nur so werden, weil wir früher die Jungs von der Opel-Gang waren, aber wir leben in der Gegenwart, für uns passt alles gerade sehr gut. Punk war für uns immer, genau das zu tun, worauf man Lust hat und zwar nach seinen eigenen Regeln, das war immer die Maxime der Toten Hosen“, so Frontmann Campino über das Selbstverständnis der Band. Und nach dieser Definition ist ihre neue Platte ein Punkalbum in Reinkultur: Da stehen die hosentypischen Vollgas-Kracher neben knalligem Powerpop, Balladen, Hymnen, die große Showtreppe und auch vor wohldosiertem Pathos hatten die fünf Düsseldorfer noch niemals Angst. Das letzte Liedauf dem Album wird von ihrem verstorbenen Schlagzeuger Wölli gesungen, auf „Kein Grund zur Traurigkeit“ hörtman ihn ein letztes Mal gemeinsam mit seinen Freunden singen.
Neben dem Einfachalbum erscheint „Laune der Natur“ auch in einer Doppelalbum-Spezialedition, für den Die TotenHosen eine Fortsetzung ihres legendären Klassikers „Learning English Lesson 1“ aufgenommen haben. Auf dieserScheibe zollten die Jungs 1990 ihren Helden der ersten Welle der Punkbewegung Respekt, indem sie mit vielen der alten Recken deren Hits der frühen Jahre coverten.
Als sich die Band zum Aufwärmen im Proberaum mal wieder durch ihre Lieblings-Punkklassiker spielte, kam die Idee auf, mit einem zweiten Teil weitere musikalische Schätze von damals einem größeren Publikum von heutezugänglich zu machen. Das Ergebnis ist die „Learning English Lesson 2“, deren 21 Songs hauptsächlich in London aufgenommen wurden. Es waren bei jedem Lied wieder Gäste dabei, unter anderem Jello Biafra von den Dead Kennedys, Colin McFaull von Cock Sparrer, Mensi von Angelic Upstarts, Steve Diggle von Buzzcocks und Jake Burns von Stiff Little Fingers. Aber auch Bob Geldof von den Boomtown Rats und vergessene Kultfiguren wie „Mad“Phil Thompson von obskuren Underground-Helden wie den Pasty Faces sind mit von der Partie.