„Da sitzen biedere Hausfrauen neben Hippies, führen Punks mit Irokesenhaarschnitten eifrige Diskussionen mit Rentnern, trinken langmähnige Rastas gemeinsam mit gut- „bürgerlichen" Yuppies“ – so beschreibt die Werra-Rundschau die Atmosphäre auf dem siebten Open Flair Festival vom 30. Mai bis 2. Juni. Für gerade einmal 29 D-Mark konnte man sich wieder ein Wochenende vielschichtiges Programm auf dem Werdchen in Eschwege ansehen. Das diesjährige Motto des Festivals war „Nordhessens Zukunft in einem Europa ohne Grenzen“. Damit hatte sich das Open Flair Festival 1991 dem aktuellen Beschluss der Öffnung des europäischen Binnenmarktes verschrieben. Was verändert sich durch die Öffnung der europäischen Grenzen? Welche Zusammenhänge gibt es für den Werra-Meißner-Kreis zur EU-Politik? Antworten auf diese und viele weitere Fragen wurden am Wochenende erörtert und diskutiert. Es kristallisierte sich vor allem die Angst heraus, dass die Region zu einem Durchgangsgebiet mit hohem Verkehrsaufkommen werden könnte.
Den Wunsch, selbst ein Ballungsgebiet zu werden, hegten aber nicht einmal die jugendlichen Teilnehmer der Diskussion. Eine weitere Podiumsdiskussion mit dem damaligen hessischen Landwirtschaftsminister Jörg Jordan zielte in Gänze auf die EU-Agrarpolitik und deren Einfluss auf die regionalen Bauer ab. Dabei ging es vor allem um die Verteilung von Subventionen, die oft nicht im Werra-Meißner-Kreis ankamen und Anträge, die zu lange auf den Schreibtischen der Verantwortlichen schmorten. Neben dem politischen Einfluss wurde versucht, den Besuchern die verschiedenen Länder und Kulturen Europas näherzubringen. Dazu gab es zum Beispiel das Tanztheater „Eine Reise durch Europa“, das die verschiedenen Traditionen in einer Performance zusammenbrachte. In Zeiten ohne Internet mussten die Teilnehmer dazu selbst den Italiener aus der Eisdiele nebenan um Unterstützung bitten. Das Kleinkunst- und Musikprogramm sowie die Stände auf dem Festplatz richteten sich ebenfalls nach dem Thema Europa.
Musikalisch konnten die Organisatoren die Rock-Blues-Legende Ten Years After engagieren. Echte Woodstock-Veteranen hatte man hier für sich gewinnen können, die mit Alvan Lee einen der besten Gitarristen der Welt in der Band hatten. Da die abendlichen Acts aufgrund von Lärmschutz nur im Zirkuszelt auftreten durften, musste hier mancher Fan leider vor dem Eingang stehen bleiben. Spannend wurde es auch bei m. Walking on the water, die ihr drittes Folk-Pop Album „Elysia“ mit im Gepäck hatten und das Publikum zu Begeisterungsstürmen hinrissen. Der Gitarrist Markus Maria Jansen erklomm sogar den Lichtmast bis zum Zeltdach. Erst nach fünf Zugaben ließ das Publikum die Band gehen. Poems for Laila war aus Osteuropa angereist, die mit einer Mischung aus traditioneller Folklore, französischem Chanson, Soul und irischem Folk einen fantastischen Sound boten. Auch regionale Bands konnten sich auf dem Open Flair wieder unter Beweis stellen: Den festivaleigenen Bandcontest hat die Heavy-Metal-Band Thundersteel gewonnen. Da aber gleich zwei Slots für Nachwuchsbands reserviert waren, konnte sich am zweiten Abend die Band The Dienstag durchsetzen. Und wer all des Trubels überdrüssig war, für den gab es natürlich wieder das beliebte Cafézelt, wenngleich es die meisten dann doch wieder nach draußen zog, um sonnenbadend ihren Kaffee zu schlürfen.
Von Laura Müller